Bis vor kurzem waren wir noch ein ruhiger Haushalt von zwei Personen: Spencer, mein texanischer Ehemann, und ich, Andrea, gebürtige Frankfurterin (vom Main). Wir leben seit 2010 im Südosten der USA, im Bundesstaat Georgia. Seit einiger Zeit umfasst die Hill Family auch zwei Fellnasen – Shellie und Nils.
Heute geht es zur Moonshadow-Farm in York, South Carolina. Dort lebt meine deutsche Tante und Hobby-Farmerin Karola mit ihrer Familie und zahlreichen gefiederten und befellten Zwei- und Vierbeinern idyllisch auf vier Acres Land. Diese Strecke fahren wir normalerweise in ca. fünf Stunden. Das Besondere: Dieses Mal sind unsere neuen Familienmitglieder Shellie und Nils dabei, eine Corgi/Beagle-Mischlingsdame und ein Rauhaardackel, die zudem ganz gerne im Auto kotzen und auch sonst seit Einzug ganz schön Veränderung, vor allem jedoch jede Menge Spaß in unser Leben gebracht haben. Beide bringen uns täglich aufs Neue herzhaft zum Lachen.
Autoreise mit Hund – gute Vorbereitung ist alles – auch in Amerika!
Ob Shellie oder Nils überhaupt schon einmal per Auto auf Reisen waren? Keine Ahnung! Beide sind Rescues, und über ihre Vergangenheit wissen wir nur sehr wenig – um nicht zu sagen nichts. Aber was wir wissen ist, dass WIR noch nie mit acht Pfoten länger unterwegs waren, denn wir sind zum ersten Mal Hundeeltern und vermutlich besorgter als notwendig. Kein Wunder also, dass uns sämtliche Fragen im Vorfeld beschäftigen, … und Shellie genervt ihre treuen Beagle-Augen über uns Amateure rollt: Wie verstaue ich Hunde und Gepäck komfortabel und sicher in meinem Jeep? Reist jeder Hund in seinem eigenen Crate oder packe ich beide gemeinsam in einen großen? Sollte ich vor Abfahrt füttern oder lieber nicht? Sind Beruhigungstropfen empfehlenswert? Wie oft sollten wir Pausen einlegen? Was nehme ich für die Hunde mit? Futter und Wasser von Zuhause, damit’s ja keinen Durchfall gibt? Knochen und Lieblingsspielzeug zum Beschäftigen, oder besser nicht, weil in fahrendem Gerät Verschluck- und Erstickungsgefahr?
Ich entscheide mich dafür, beide zusammen im großen Crate fahren zu lassen, ohne Frühstück, aber selbstverständlich mit abgefülltem Wasser von Zuhause, Decken zum Kuscheln sowie Chewys, Treats und Toys im Gepäck für den Einsatz am „Ferienort“. Für Nils kommt noch das zusammenfaltbare Animal Planet Zelt obendrauf, das ihm nachts als sein Schlafgemach dienen soll. Leinen, Handtücher, Poopie-Bags und Küchenpapierrolle liegen griffbereit. Neben die große Hundekiste voller Utensilien jetzt noch das Täschchen mit unseren auf ein Minimum reduzierten Habseligkeiten, und so kann es im Morgengrauen guten Gewissens losgehen.
Quer durch Georgia und seine Geschichte
Vor uns liegen ca. 330 Meilen, nordöstlich quer durch Georgia bis in den Nachbarstaat South Carolina und dort ganz in den Norden, fast schon North Carolina. Von Columbus, Georgia, geht es auf die Interstate I-185/I-85 North, die uns direkt durch Downtown Atlanta führen wird und der wir auch anschließend in Großrichtung Charlotte mit Höchstgeschwindigkeiten von 70 Meilen pro Stunde (…gähn!) bis Exit 102 Blacksburg folgen. Die letzten gut 20 Meilen legen wir auf schnurgeradem, ländlichem Highway zurück.
Auf den ersten Blick führt unser Weg durch wenig spektakuläre Regionen der USA. Auf Anhieb fällt mir nichts ein, wo es sich wohl lohnen mag, einen Pit-Stopp einzulegen. Einen Pippi-Stopp dagegen schon! Aber schließlich befinden wir uns auf dem Georgia Scenic Byway, der muss uns ja wohl an diversen Hotspots vorbeiführen.
Wir müssen nicht lange warten. Bereits nach 25 Meilen weist uns ein braunes Informationsschild auf den Roosevelt State Park hin, Georgias größtem Nationalpark und Naherholungsgebiet mit über 40 Meilen Wanderwege und Möglichkeiten zum Kayaken, Reiten, Angeln, Picknicken, Geocaching. Ein echtes Juwel für Outdoor-Liebhaber, Wanderer, Backpacker – und Hunde! Hunde dürfen auf allen Abschnitten mitgeführt werden, müssen aber an der Leine bleiben.
Highlight ist das Roosevelt’s Little White House bei Warm Springs. Franklin Delano Roosevelt, 32. Präsident der Vereinigten Staaten von 1933 bis zu seinem Tod 1945, zog sich an diesen inspirierenden Ort zurück, um über das politische Weltgeschehen nachzudenken, aber auch um Kraft und Erholung zu tanken. Vor allem erhoffte er sich durch das Schwimmen in den mineralhaltigen, gut 30° Grad warmen Quellen Heilung von seiner Polio-Erkrankung. Leider wirkten die Quellwasser keine medizinischen Wunder, aber sie brachten ihm Erleichterung und verhalfen Warm Springs zu Popularität und mehr Geschäft. Gäste können Roosevelts kleines „Weißes Haus“ mit echten, aus seinen Lebzeiten stammenden Artefakten besichtigen. Roosevelt starb dort im Alter von 63 Jahren an einem Schlaganfall, während er für sein Portrait posierte.
Umgeben von romantischer Waldidylle, ist diese Sehenswürdigkeit wirklich interessant und liebevoll gemacht, mit Museum und separaten Nebengebäuden, in denen u.a. sein 1938 Ford Cabrio und besagtes (unvollendetes) Portrait ausgestellt ist, mit Unterkünften der Bediensteten und dem Walk of American Stones and Flags, der alle US-Bundesstaaten portraitiert. Das Hauptgebäude ist rollstuhlgerecht, acht Dollar Eintritt pro Person werden verlangt. Und obwohl Fala, Roosevelts schwarzer Scottish Terrier, die meiste Zeit bei seinem Herrchen im Landhaus verbrachte und dort entsprechend gewürdigt ist, müssen Hunde leider draußen bleiben. Der Komplex der Therapie-Becken, damals von Roosevelt zu einem Rehabilitationszentrum ausgebaut, kann im nur eine Meile entfernten Warm Springs besichtigt werden.
Atlanta ist nicht Frankfurt, oder?
Aber wir wollen ja noch in South Carolina ankommen, deshalb fahren wir heute ausnahmsweise am FDR State Park vorbei und unser erster Halt, nach ca. weiteren 40 Meilen, ist Newnan. Vor den Toren Atlantas ist ein Stopp angebracht, finden wir, um uns zu vergewissern, dass es unseren Fahrgästen im Cargo-Bereich gut geht. Zeit, um kurze, krumme Dackelbeine zu vertreten und schnüffelnde Supernasen zu befriedigen, und da alles sonst in Ordnung scheint, geht es nach nur 15 Minuten weiter.
Um Atlanta herum wird die Fahrerei merklich spannender. Der Verkehr verdichtet sich zunehmend und man muss zusehen, mit dem plötzlich sehr zackigen Verkehrsfluss mitzuhalten. Offizielles Speed Limit ist 55 Meilen pro Stunde – NUR: scheint das keinen hier zu interessieren. Eigentlich kein Problem für unsereins, die das Autofahren auf der Autobahn gelernt haben, trotzdem gewöhnungsbedürftig auf einer teilweise bis zu achtspurigen Rennstrecke (wohlgemerkt, das ist nur eine Seite!), auf der links (und rechts!) 18-Wheelers, aufgebockte Trucks und schnittige Escalades mit nahezu 75 Meilen pro Stunde an einem vorbeirauschen und oft genug die Sicht versperren. „We go with the flow“, um selbst nicht überrollt zu werden. Und dann, wenn der deutsche Fahrinstinkt wieder erwacht, macht der Fahrspurwechsel auf einmal so richtig Spaß. Endlich mal wieder Action beim Autofahren, und wir hoppen mit den anderen von ganz rechts nach ganz links, in die Mitte und zurück.
Und dann, urplötzlich, liegt sie vor uns – die Skyline von Atlanta. Als Frankfurter Mädsche geht mir die Skyline meiner Heimatstadt weitaus mehr unter die Haut, aber die Hauptstadt Georgias bekommt immerhin das Prädikat „Gibt-schon-was-her“ von mir.
Atlanta, die Stadt mit dem wohlklingenden Namen, wie ich finde, ist m.E. nicht unbedingt ein Kandidat für die Liebe auf den ersten Blick. Man muss schon etwas genauer hinsehen, um das Wirtschafts-, Unterhaltungs- und Kulturzentrum des gesamten Südens und das Zuhause der braunen Limonade echt cool zu finden. Neben den touristischen Attraktionen und zahlreichen Shoppingmöglichkeiten, dem öffentlichen Nahverkehrssystem MARTA, gern und gut besuchten Parkanlagen, vielseitiger Gastronomie und einer schillernder Gay-Community kommt HOTlanta trendy und progressiv daher, wobei Südstaaten-Charme und „Southern Hospitality“ nicht ganz verloren gehen.
Man darf sich nicht täuschen lassen: Während Anblick und Angebot der Durchgangsstraßen und Hauptverkehrsschlagadern teils einen fast schon heruntergekommen Eindruck hinterlassen – südlich eben – muss man einfach nur um die Ecke gehen und schon bietet sich ein wunderschön, grünes Stadtbild aus alten, moosbehangenen Bäumen und gewachsenen Wohngegenden mit Häusern im Plantagenstil und Hollywood-Schaukeln oder Schaukelstühlen auf den von weißen Säulen gesäumten Frontporches.
Von Coca-Cola bis Martin Luther King
Touristische Flaggschiffe sind beispielsweise das Georgia Aquarium und die Coca-Cola Welt im Centennial Olympic Park, die CNN Studios und der Stone Mountain Park. Und nur mal so nebenbei: Atlanta ist Sitz eines von acht deutschen Generalkonsulaten in den USA.
Ich möchte aber an dieser Stelle die Martin Luther King Jr. National Historic Site erwähnen. Ganz ehrlich hatte ich bis dato nicht auf dem Schirm, dass Dr. King ein Sohn Atlantas ist/war. Im Herzen der Stadt, im „Sweet Auburn“-Distrikt, stehen das Geburtshaus, die Ebenezer Baptist Church und die Grabmale des Bürgerrechtlers sowie seiner Frau Coretta. Ein Museum behandelt sein Leben und seinen Kampf gegen die Rassentrennung und macht einem mit Foto- und Filmmaterial eindrucksvoll bewusst, dass dieser Abschnitt amerikanischer Geschichte noch gar nicht so alt ist.
Um den Distrikt herum kann man gegen Gebühr parken. Eigentlich eine Gegend, in der ich mich unter anderen Umständen nicht unbedingt hin verirren würde wollen, sollte man ein kleines Stückchen weiter nach dem kostenlosen und bequemeren Besucherparkplatz auf der John Wesley Dobbs Avenue zwischen Jackson Street und Boulevard Ausschau halten. Der Eintritt in das Museum ist frei, und man kann sich zu einer geführten Tour des Geburtshauses einschreiben. Diese Führungen sind jedoch auf je 15 Personen beschränkt und entsprechend schnell „ausgebucht“. Also entweder gleich morgens als erstes da sein oder einfach darauf verzichten. Man kann ein Stück die Straße hoch gehen und das Haus in Eigenregie zumindest von außen besichtigen. Ich selbst habe es noch nicht hinein geschafft, frage mich aber ernsthaft, ob es sich wirklich lohnt, da es recht klein wirkt.
Für so einen Besuch lässt man seine vierbeinigen Lieblinge in der Regel zu Hause. Wenn die Furry Friends aber nun einmal dabei sind und – entsprechend kühle Temperaturen vorausgesetzt – im Auto ein Nickerchen halten durften bis man zurück ist, kann nun einer der vielen Parks in Atlanta, z.B. der Piedmont Park, unsicher gemacht werden. Aber wir wollen ja noch in South Carolina ankommen, deshalb fahren wir heute ausnahmsweise nur durch Atlanta durch.
So, das war der erste Teil unseres Roadtrips mit Vierbeinern … wenn Euch die Reisegeschichte gefallen hat, dann schaut doch bald wieder hier vorbei. Dann gibt es auch den zweiten Teil unserer Reise bis nach South Carolina! Und klar: Dann erfahrt Ihr auch, was wir so auf der Reise gegessen haben …
Text und Fotos: Andrea Hill, Columbus, Georgia, USA