Vor kurzem mailte mich eine Bekannte an – eine eifrige Leserin meines Blogs – und lud uns ein, einen Ausflug ins hessische Hinterland zu machen. „Hier bei uns in Hessisch-Sibirien können wir auch ganz wunderbar wandern!“ Gesagt – getan! Nach fast 14-tägigem Dauerregen nutzen wir den ersten schönen Frühlingstag, programmieren unser Navigationsgerät, packen Dayo und Suri ein und starten unsere Expedition ins unbekannte Hessenland. Zunächst stellen wir aber fest, dass Bad Endbach – unser Zielpunkt – an sich nur knappe 70 Kilometer von uns entfernt ist. Etwas verwundert registrieren wir allerdings, dass sich die Anfahrtszeit auf knapp 1,5 Stunden beläuft … nun ja … keine Ahnung was oder wo Bad Endbach ist … irgendwo im Kreis Marburg-Biedenkopf – eben in Hessisch Sibirien!!
Ausnahmsweise verlassen wir uns mal auf unser Navigationssystem und wundern uns des Öfteren – denn natürlich kennen wir die ungefähre Richtung – dass unser Navi mit uns in eine ganz andere Richtung fährt (abends stellt Thomas fest – dass wir tatsächlich kilometermässig den kürzesten Weg gefahren sind … allerdings nicht von der Zeit her … und wäre da nicht die Umleitung gewesen). Dann ist auch noch eine Straße gesperrt und wir dürfen einen Umweg von rund 15 Kilometern auf uns nehmen. Auf diesem Weg gelangen schließlich auch zur Aartalsperre! Ach wirklich? Wir sind nur ca. 15 Kilometer nordwestlich von Gießen entfernt. Gefühlt sind es mindestens 150 Kilometer. Aber immerhin sind wir jetzt ganz nah dran an unserem Ziel … knappe 15 Minuten später rollen wir in Bad Endbach ein.
Bad Endbach – ein Ort, von dem ich zuvor wirklich noch nie gehört habe – ist also eine Gemeinde im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf (Marburg dürfte den meisten meiner Leser/innen ja als beliebte Universitätsstadt bekannt sein) und liegt im sogenannten Hessischen Hinterland – von den „Eingeborenen“ dort liebevoll Hessisch Sibirien genannt. Seit 1970 ist Bad Endbach ein Kneipp-Heilbad und seit 1973 darf das Prädikat „Bad“ geführt werden. Mitten in dieser Idylle leben Ursula und Jürgen mit ihren fünf Hunden – drei Rhodesian Ridgebacks, ein Labrador und ein kleiner Mischling (glaube ich jedenfalls).
Wir haben uns etwas verspätet und werden schon erwartet … und machen uns dann auch gleich auf die Socken: Vier Zweibeiner mit vier Vierbeinern … während Suri und Chiremba an der Leine bleiben, darf sich Dayo mit dem dritten Ridgeback-Mädel vergnügen. Das will er allerdings nicht so recht. Er ist hochgradig an Chiremba interessiert, die erst vor kurzem läufig war. Madame ist jedoch extrem ungehalten über diese männliche Aufdringlichkeit und legt sich mordsmäßig ins Zeug, um meinen armen Bär zu vertreiben. Nutzt aber nix … 😉
In einer der waldreichsten Gegenden Deutschlands marschieren wir gemächlich (doch, ich finde schon, dass sich marschieren und gemächlich nicht ausschließen) durch die sattgrüne Landschaft. Anfangs bleiben Thomas und Suri ein Stück hinter uns zurück … Suri legt ja nicht unbedingt auf Fremdhundekontakte an der Leine wert (später soll sich allerdings rausstellen, dass sie mit allen fremden Hündinnen total freundlich umgeht).
Die Region setzt verstärkt auf umwelt- und sozialverträglichen Tourismus. So wurde 2007 unter dem Motto „einer Vision Raum geben“ der elfte Nationalpark in Hessen gegründet. Der Naturpark Lahn-Dill-Bergland umfasst 87.432 Hektar Mittelgebirgslandschaft zwischen den Flüssen Lahn und Dill.
Für uns geht es jetzt erst einmal ein ganz schön langes Stück bergauf … irgendwo hatte ich zu Beginn auch am Wegesrand ein Schild mit der Aufschrift „Wadenweg“ wahrgenommen. Gut! Jetzt weiß ich auch, was damit gemeint war.
Aber irgendwann sind wir oben angekommen und Bad Endbach liegt zu unseren Füßen. Nach der langen Schlechtwetterperiode der vergangenen Wochen kann ich mich an dem Grün und an den vielen Blüten gar nicht sattsehen.
Ginsterbüsche, wilde Blumenwiesen und Ackerbau wechseln sich ab, und wir laufen jetzt ganz bequem und wunderbar fast ohne Steigungen …
Und was mir noch ganz besonders auffällt: An den Wegesrändern gibt es kaum Brennnesseln oder sonstiges „Stechzeugs“ – bei uns in der Wetterau ist jetzt natürlich auch alles schön grün. Aber Ginsterbüsche, Schafgarbe, Kamille und Butterblumen … weit gefehlt. Das Niddaufer besteht an sich nur aus Brennnesseln … na gut, ich will jetzt mal nicht ungerecht sein: Die ein oder andere Schafgarbenpflanze haben wir auch …
Nein, keine Sorge: Wir haben die Hunde nicht auf der wunderschönen Blühwiese toben lassen … es sind sozusagen „gestellte Fotos“ … natürlich haben wir während unseres gesamten Spaziergangs darauf geachtet, dass die beiden freilaufenden Ridgebacks nicht unnötig weit vom Weg abgekommen sind.
Wir nähern uns schon langsam wieder dem Kneipp-Heilbad und schauen hinüber zu ein paar vereinzelten Fichten. Hier zerstörte der Orkan Kyrill 2007 fast einen kompletten Fichtenwald.
Dem Grundsatz „Schutz durch Nutzung“ folgend hat es sich der Naturpark Lahn-Dill-Bergland zur Aufgabe gemacht, die landschaftliche Vielfalt und Schönheit der Region zu bewahren, nachhaltig zu entwickeln und für Gäste und Einheimische mit allen Sinnen erfahrbar zu machen. Und dass dies hier gelingt, haben wir ja selbst gesehen, obwohl wir ja nur ein winziges Stück dieser Region kennengelernt haben. Das Wanderwegenetz ist sehr gut ausgebaut und ausgeschildert. Hier findet jeder etwas nach seinem Geschmack und den Hunden macht es allemal Spaß.
Auf der Homepage von Bad Endbach unter www.bad-endbach.de findet man auch eine Reihe von Wanderveranstaltungen – so werden beispielsweise auch geführte Wanderungen angeboten. Außerdem sind rund 260 Kilometer des Wanderwegenetzes mit GPS-Daten markiert. Die Etappen reichen von 6,5 Kilometer bis 45 Kilometer. Alle Wege können kostenlos auf das GPS im Smartphone runtergeladen werden … das müssen wir auch mal irgendwann probieren … dann verläuft man sich vermutlich auch nicht mehr (siehe Herbstspaziergang im Knüll) … 😉
Wir hatten jedenfalls einen ausgesprochen schönen Tag in Hessisch Sibirien, auch wenn wir weit weg von einer Expedition waren. Vielen Dank an Ursula und Jürgen, die uns hinterher auch gastronomisch noch aufs Beste versorgt haben … wir kommen bestimmt wieder (wenn Euer Grill wieder ganz ist …).