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Bad Gastein – zwischen Aufbruch, Charme und Verfall

Bad Gastein - zwischen Aufbruch, Charme und Verfall

Die erste Dezemberwoche 2016 haben wir im Gasteinertal verbracht. Wir waren dort in Sachen „Winterwandern“ unterwegs und haben auch Bekanntschaft mit einer Diva aus längst vergangenen Zeiten gemacht. Damit meine ich den Kur- und Wintersportort Bad Gastein, der seine glanzvollsten Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts hatte, in den 1970iger und 1980iger Jahren ein wenig den Anschluss verlor und heute wieder viel Charme und Aufbruchstimmung vermittelt. Neugierig war ich schon auf den Ort, über den so viel Widersprüchliches zu hören ist und der sich selbst als das „Monte Carlo der Alpen“ bezeichnet.bad-gastein-16

„Gesunder“ Wasserfall

Also sind wir gleich am ersten Tag nach einer wunderbaren Zeit in Sportgastein runter nach Bad Gastein gefahren. Zentrales Element des Kurortes ist (für mich) der wirklich grandiose Wasserfall.  bad-gastein-10Der Wasserfall hat an der Stelle, an der ich stehe, bereits 65 Meter Steilschlucht hinter sich gebracht. Von hier aus tost das Wasser mit all seiner Kraft noch weitere 85 Meter hinab.
bad-gastein-11Wer eine Weile auf der Brücke unweit des Straubinger Platzes stehen bleibt, spürt unweigerlich die Kraft des Wassers und die Intensität dieses ganz besonderen Platzes. Wie ich zu Hause später nachlese, ist das auch keine Einbildung von mir gewesen. Denn an den Ufern des Wasserfalls sollen sich die Luftmoleküle durch die Wasserzerstäubung elektrisch aufladen. Dadurch soll eine besondere Frische der Luft entstehen, die wichtig für die Kurgäste ist.
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Tränen der Belle Epoque

Genau hier ist auch der alte Stadtkern des einst so glanzvollen Kurortes.
bad-gastein-13Wie glanzvoll die vielen Bauten aus der „Belle Epoque“ einmal waren, davon mögen die stattlichen Häuser immer noch träumen. Die güldenen Letter des Badeschlosses prangen trotzig über dem Balkon und rufen den staunenden Touristen zu: „Doch, ich bin ein Schloss. Glaubt es oder glaubt es nicht. Aber wenn ihr mich damals gesehen hättet. Damals als der Kaiser hier war. Ich war schön. Und ich war lebendig.“

Wie die Schminke einer abgetakelten Filmdiva blättert der gelbe Putz von der Fassade. Die großen Fenster sind verhangen. Jetzt am Spätnachmittag, wo kein winterlicher Sonnenstrahl mehr seinen Weg zum Straubinger Platz findet, wirkt das wunderschöne Badeschloss, das zwischen 1791 und 1794 als erstes steinernes Gebäude des Wildbades erbaut wurde, unsagbar traurig. Aber auch die benachbarten Häuser strahlen nur wenig Zuversicht aus und schon gar keine Freude.bad-gastein-12Aber was ist hier passiert? Warum steht das Badeschloss und viele andere Prachtbauten in Bad Gastein leer und sehen still und leise ihrem Untergang entgegen, während sich der Kur- und Wintersportort doch inzwischen wieder seinen Platz an der (Tourismus-)Sonne erkämpft hat?
bad-gastein-26Kurz vor der Jahrtausendwende kaufte ein Wiener Immobilienmensch fünf Häuser in Bad Gastein und versprach den örtlichen Behörden das Blaue vom Himmel. Er wollte aus den denkmalgeschützten Häusern Luxusherbergen machen. Aber es blieb bei den Versprechungen. Die ganzen Jahre über passierte nichts. Mittlerweile hat der Sohn die Rolle des Bösewichts übernommen. Denn passieren tut immer noch nichts.bad-gastein-27Und so werden die Kurgäste, Skiläufer und Wandertouristen wohl noch eine ganz Weile weiter staunen und sich wundern, wenn sie durch das alte Stadtzentrum Bad Gasteins spazieren. Immerhin versucht der Kurort den Verfall zu kaschieren, in dem in den Fenstern längst geschlossener Läden Bilder aus der glamourösen Vergangenheit präsentiert werden.
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Glorreiche Geschichte

Die Tourismus-Info von Bad Gastein bietet unter anderem eine Audiotour, in der die Geschichte und Entwicklung des berühmten Kurortes vorgestellt wird. Wir wollten diese Tour eigentlich machen (sie kostet mit Gasteincard fünf Euro pro Person), aber irgendwie waren wir immer erst am Spätnachmittag unterwegs, und da hatte ich meistens keine Lust mehr … bad-gastein-29Bad Gastein kam nicht erst im letzten und vorletzten Jahrhundert zu großer Bekanntheit. Bereits seit dem Mittelalter waren die 18 Thermalquellen weit über die Grenzen bekannt. Und wer es sich leisten konnte, kurte in dem Ort, der auch durch den Goldbergbau in früheren Zeiten Berühmtheit erlangte.
bad-gastein-18Seinen royalen Höhepunkt hatte Bad Gastein Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammt das Gebäude, das einst das Grandhotel de L’Europe beherbergte und heute das Zuhause eines Spiel-Casinos und eines Heimatmuseums ist (das in der ersten Dezemberwoche geschlossen war). Es galt einst als das größte und modernste Hotel des K&K-Reiches, und hier logierten zahlreiche royale und und „sonstige“ Promis.

Tradition und Neubeginn im (Wander- und) Wintersport

bad-gastein-3Nach dem 2. Weltkrieg ging es dann mit dem Wintersport los. Der erste Sessellift brachte 1946 die ersten Skiläufer auf die Piste. Als Austragungsort der Skiweltmeisterschaft 1958, die der legendäre Toni Sailer gewann, ging Bad Gastein in die Annalen der Wintersportorte ein.

In den 1980iger Jahren passierte, was auch in vielen deutschen Kurorten passierte: Man verpasste irgendwie, dass sich die Zeiten, die Touristen und die Bedürfnisse der Kur- und Wintersportgäste verändert hatten. Bad Gastein versank im Dornröschenschlaf und dümpelte so vor sich hin.bad-gastein-7Aber der Ort hat sich in den letzten Jahren berappelt. Seit 1985 haben die Skandinavier ihn und das Gasteinertal für sich entdeckt. Darüber hinaus ist Bad Gastein bei der russischen Klientel außerordentlich beliebt. bad-gastein-21Die Skipisten sind gut ausgebaut, und seit es die modernen Beschneiungsanlagen gibt, ist das Skilaufen ab Ende November auf dem Stubnerkogel problemlos möglich, auch wenn der „echte“ Schnee auf sich warten lässt.

Das Kurangebot mit dem Thermalwasser und dem Heilstollen ist inzwischen auch für ein jüngeres Publikum attraktiv. Ich war (leider) weder in den Felsenthermen noch im Heilstollen. Aber Angelika vom österreichischen Blog „Wieder unterwegs“ hat im vergangenen Jahr hier gekurt. Wie sie das empfunden hat, könnt ihr hier nachlesen.

Gymnastik für Beine und Po

Bad Gastein besticht nicht nur als Wintersportort oder durch seine berühmte Geschichte. Nein, der Ort bietet auch ein Bein- und Potraining der besonderen Art an, zu dem ihr euch nicht einmal anmelden müsst. Es ist auf jeden Fall kostenlos und durchführbar bei Wind und Wetter und zu jeder Tages- und Nachtzeit … 😉 … bad-gastein-4Nein, ich leide nicht an geistiger Verwirrung. Bad Gastein ist in den Steilhang gebaut, und die platzsparenden, mehrstöckigen Häuser (die dem Ort auch den Spitznamen „Wolkenkratzerdorf“ einbrachten) schmiegen sich an die engen und sehr steilen Gassen (durch die ich jedenfalls nicht mit dem Auto fahren möchte). bad-gastein-6Vom Bahnhof, der oben direkt an der Gondelanlage, die hoch zum Stubnerkogel führt, liegt bis runter zum Quellpark liegt ein Unterschied von 80 Höhenmetern. Gefühlt waren es für mich aber IMMER mindestens 200 Höhenmeter … 😉 …bad-gastein-7Und ich sage euch, wenn ihr hier ein paar Mal von ganz unten nach ganz oben gelaufen seid, wisst ihr wirklich, über welche Muskeln eure Oberschenkel und euer Gesäss verfügen …
bad-gastein-17Bad Gastein ist definitiv interessant und sehenswert. Wenn hier erst so richtig der Schnee liegt und die Saison begonnen hat, ist hier sicherlich ein ganz besonderer Charme vorhanden. Das gilt natürlich auch für die Sommersaison, wenn alles Saftiggrün ist und die Natur in voller Blüte steht.

Mir hat es gefallen, durch die Straßen zu spazieren und den Kontrast zwischen Verfall und Aufbruch zu betrachten. Aber ich bin ganz froh, dass wir nicht im „städtischen“ Bad Gastein gewohnt haben, sondern im eher ländlich gemütlichen Ortsteil Böckstein.

Weitere Informationen:

  • In unserer Urlaubswoche haben wir mehrfach sehr lecker und gutbürgerlich im Wirtshaus Jägerhäusel gegessen. Hier sind auch Hunde herzlich willkommen. Wer vorher einen Tisch reserviert und auf die Hunde hinweist, bekommt in der Regel auch einen Tisch, wo die Hunde ungestört in der Ecke liegen können.
  • Empfehlen kann ich euch außerdem das Steakhouse „Steak & More“. Das Preislevel ist gehoben, aber das Fleisch ist fantastisch und jeden Euro Wert. Hunde sind hier auch willkommen.
  • Gewohnt haben wir in der sehr hundefreundlichen Residenz Gruber im Ortsteil Böckstein. Gerti Gruber und ihr Team werfen auf Wunsch auch einmal ein Auge auf eure Vierbeiner, wenn ihr mal ohne Hund unterwegs sein wollt.
  • Weitere Informationen über das Gasteinertal und Bad Gastein findet ihr unter www.gastein.com.

5 Kommentare

  1. Edeltraude Ries sagt

    Ein ganz toller Bericht! Ich bin seit meinem Kuraufenthalt in Bad Gastein fasziniert von diesem Ort und verfolge das Geschehen mit großem Interesse. Ich würde es gerne auf FB teilen, geht aber irgendwie nicht.

    • martinazuengel sagt

      Liebe Edeltraude,
      vielen Dank für Deinen tollen Kommentar. Das freut mich wirklich sehr, dass Dir mein Beitrag über Bad Gastein gefallen hat (den wollte ich eigentlich immer schon einmal überarbeiten). Komisch, dass das Teilen über Facebook nicht funktioniert. Ich schicke Dir per E-Mail den Link nochmals extra – vielleicht funktioniert es dann ja.
      Viele Grüße
      Martina

  2. Edeltraude Ries sagt

    Ein ganz toller Bericht! Ich bin seit meinem Kuraufenthalt in Bad Gastein fasziniert von diesem Ort und verfolge das Geschehen mit großem Interesse. Sehr gerne würde ich es auf FB teilen, geht aber irgendwie nicht.

  3. Liebe Martina, sehr interessanter Artikel. Ich habe ja ein paar Jahre in Salzburg gelebt und war auch hin und wieder in der Gegend von Bad Gestein. Ich finde diesen Ort total faszinierend. Deine Beschreibung von der „abgetakelten Filmdiva“ trifft es total gut. Diese städtischen Prachtbauten wirken in den Bergen auch irgendwie deplaziert und überall spürt man den (längst vergangenen) Ruhm dieses Ortes. Bin sehr gespannt, wir sich Bad Gestein weiterentwickelt. Vielleicht schaffe ich es ja mal wieder dorthin.
    Liebe Grüße von Andrea

    • martinazuengel sagt

      Liebe Andrea,
      deplatziert ist irgendwie das richtige Wort. Ich bin auch mal gespannt, wie es dort weiter geht. Vielleicht schaffe ich es irgendwann einmal im Sommer dorthin. Dann sieht alles sicherlich auch etwas zuversichtlicher aus.
      Viele Grüße
      Martina

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