Heute gibt es einmal nichts zum Thema Reisen, Wandern oder Erlebnisse mit Hunden, denn Andrea hat auf ihrem Blog Anwolf zu einer Blogparade zum Thema Heimatorte aufgerufen. Auf den ersten Blick vielleicht ganz einfach zu beantworten. Wenn ich ein wenig darüber nachdenke, sieht die Sache aber schon ganz anders aus. Und da habe ich kurzerhand beschlossen, dass heute mal auf eine Hundegeschichte verzichtet werden muss.
Inhalt:
Fleischwurst mit Brötchen
Als Kind hatte Heimat für mich viel mit bestimmten Ritualen und vielleicht auch Geschmack zu tun. Über Jahre hinweg sind meine Eltern mit meiner Schwester und mir in den Sommerferien für drei Wochen nach Spanien in ein Ferienhaus, das einer Freundin meiner Oma gehörte, gefahren.
Wenn wir nach fast zwei Tagen Anfahrt (die Autobahnen waren damals noch nicht so ausgebaut wie heute) in Segur de Calafell ankamen, ging mein Vater sofort mit uns an den Strand, damit meine Mutter das Haus in Ruhe putzen konnte. Und das hat meine Mutter in jedem Sommer so gemacht.
Danach waren wir dort zu Hause. Es sah zwar nicht so aus, aber es roch so, und es fühlte sich so an. Spätestens dann, wenn wir auf dem Rückweg auf der A5 an Frankfurt-Niederrad vorbeifuhren und die Skyline von Frankfurt rechter Hand an uns vorbei zog, wusste ich, dass wir wieder in der Heimat waren.
Und wenn wir dann endlich wieder ein Brötchen mit hessischer Fleischwurst in den Händen hielten, war es ganz sicher: Wir waren wieder zu Hause. Bis heute ist es für mich eine Art nach Hause kommen, wenn ich nach einem Urlaub ein Brötchen mit Fleischwurst esse. Heimat eben.
Heimat – dort, wo ich lange gelebt habe
Geboren bin ich in Bad Homburg. Nach einem kleinen Exkurs meiner Eltern nach Frankfurt habe ich in der Kurstadt auch einen großen Teil meines Lebens verbracht. Ich liebe Bad Homburg und den Taunus.
Ich komme bis heute gerne hierher zurück. Einmal die Louisenstraße hoch und runter laufen, mich auf einen Kaffee mit Schulfreundinnen zu treffen oder beim Chinesen im Kurpark (der von Innen immer noch so aussieht, wie zu meiner Schulzeit) essen gehen.
Da kann kein Limburger Dom mithalten und kein Montabaurer Schloss. Bad Homburg – das ist Heimat.
Keine Heimat, aber ein Zuhause
Und eines Tages lernte ich meinen reizenden Gemahl kennen. Und es begab sich, dass er (leider) nicht aus Bad Homburg kam oder gar aus dem schönen Taunus. Er lebte damals in der Wetterau an der B3 zwischen Bad Vilbel und Friedberg.
Nun ja. Die Wetterau an sich ist ja auch ganz schön. In den ersten Jahren, die ich dort gelebt habe, hatte ich tatsächlich auch überlegt, ob ich meinen ersten Wohnsitz nicht bei meinen Eltern anmelden sollte, damit ich endlich wieder mit dem Autokennzeichen „HG“ fahren und das (für mich) unsägliche „FB“ loswerden konnte …
Das fand mein reizender Gemahl nicht so dolle … 😉 … mit der Zeit habe ich mich an Wöllstadt und die Wetterau gewöhnt. Es wurde zu meinem Zuhause, aber es wurde niemals meine Heimat.
Westerwald – die Wahlheimat
Vor fast drei Jahren sind wir dann in den südlichen Westerwald in die Verbandsgemeinde Montabaur umgezogen. Vom Rhein-Main-Gebiet in eine Ferienregion – das ist schon ein Unterschied.
Hier geht es doch schon langsamer zu. Die Kassiererinnen an den Supermarktkassen sind freundlicher, weil sie entspannter sind. Öffentlicher Nahverkehr ist zwar vorhanden, aber eine Fahrt in das eigentlich nur eine Stunde entfernte Frankfurt, ohne das Auto zu bewegen, könnte eine Tagesaufgabe werden.
Mit Bus und Bahn nach Bad Homburg? Möchte ich mir gar nicht vorstellen. Dafür leben wir jetzt in einer wirklich wunderschönen Landschaft im Naturpark Nassau. Für die Hunde (und für uns) ein Eldorado.
Die Spaziergänge sind hier deutlich länger und abwechslungsreicher geworden. Außerdem – und das ist für mich persönlich ein wichtiger Punkt – leben wir jetzt in einem Haus, dass auch mein Haus ist.
Ich betone das so, weil das Haus in der Wetterau zwar auch ein schönes Haus war, aber eben nicht mein Haus, sondern das Haus von meinem reizenden Gemahl und seinen Kindern. Das hier ist jetzt MEIN Haus (und das des reizenden Gemahls ebenfalls)!
Ist es schon Heimat? Ich weiß es nicht. Es ist jetzt allerdings schon mehr Heimat als die Wetterau jemals war. Es ist meine Wahlheimat.
Pommern – geheime Heimat?
Als Kind habe ich die Geschichten meiner Großmutter geliebt, wenn sie von ihrer Jugend erzählte, wie sie meinen Großvater kennenlernte, der Gutsinspektor auf den Bismarckschen Gütern in Varzin in Pommern war, und wie sie ihn heimlich – als meine Urgroßeltern unterwegs waren – per Telefon zu einer heißen Schokolade ins elterliche Forsthaus eingeladen hatte.
Nicht bedenkend, dass jeder in der Region, der damals über ein Telefon verfügte, dieses Gespräch mithören konnte. Ich glaube, meine Großmutter ist ihr ganzes Leben nicht darüber hinweg gekommen, dass sie ihre Heimat mitsamt ihren Kindern nach dem Krieg verlassen musste. Und es tut mir sehr leid, dass ich mich zu ihren Lebzeiten nie ernsthaft mit ihr darüber unterhalten habe.
Pommern ist heute Województwo Pomorskie und liegt in Polen. Und Varzin heißt Warcino.
Auch mit meinem Vater habe ich früher nicht wirklich ernsthaft über seine eigentliche Heimat gesprochen. Er fuhr bereits in den 1970iger Jahren erstmals nach Pommern (mit dem jüngsten Bruder meiner Oma) und danach mehr oder weniger regelmäßig immer mal wieder.
Aber das habe ich – glaube ich jedenfalls – niemals wirklich realisiert. Ich habe mich auch niemals gefragt, was das wohl für ihn bedeutet. Denn für mich war immer irgendwie klar, dass die Heimat meines Vaters Kiel ist, wo die Familie nach der Vertreibung hinkam.
Aber irgendwann tauchen all die Geschichten und Fragen auf. Angestoßen vermutlich durch die Aussage meines Vaters „Ihr interessiert euch doch sowieso nicht für die Familiengeschichte“. Und so kam es, dass meine Eltern, meine Schwester und ich 2013 auf Spurensuche nach Pommern gefahren sind.
Es waren sehr schöne und sehr berührende Tage. Es ist etwas anderes, ob man die Geschichte aus Büchern, aus der Schule und von den Eltern kennt oder ob man mit Zeitzeugen direkt vor Ort ist und ein kleines bisschen erleben kann, wie die Familiengeschichte wirklich war.
In meinem Beitrag „Bismarck und ich – eine Reise nach Pommern“ habe ich darüber geschrieben.
An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Mutter entschuldigen. Dafür, dass ich ihre Heimat (Erfurt, Jena und Thüringen) hier gar nicht erwähne. Ich war als Kind natürlich oft in der damaligen DDR, um die dortige Familie zu besuchen. Und nach der Wende habe ich einen supertollen Ausflug mit meiner Mutter nach Erfurt gemacht. Aber meine Heimat oder meine Familienheimat? Nein, das ist es für mich nicht.
Ich habe mir seit der Reise nach Pommern so manches Mal gewünscht, die Heimat meines Vaters wäre auch die meine. Aber meine Heimat ist Bad Homburg und vielleicht irgendwann Görgeshausen. Aber Pommern bleibt meine geheime „Wunschheimat“.
So, jetzt ist mein Beitrag irgendwie etwas ausgeufert. Ich hoffe, ihr habt es bis hierher geschafft. Was verbindet ihr mit Heimat? Lasst es mich wissen oder macht einfach bei der Blogparade von Anwolf mit. Die läuft noch bis zum 15. Mai 2017.
Liebe Martina,
danke für deinen schönen Artikel zu meiner Blogparade. Es ist witzig, woran man manchmal „Heimatverbundenheit“ erkennt, z.B. an der Vorliebe zu einem bestimmten Kennzeichen 😉 Sehr spannend finde ich auch, was du über deine „Wunschheimat“ Pommern schreibst. Wir sind mit meinem Vater auch schon zwei mal in seine alte Heimat in der heutigen Tschechei gereist, aus der er nach dem Krieg vertrieben wurde. Es war seltsam, irgendwie fühlte auch ich mich mit dem Ort verbunden. Von daher bin ich sehr gespannt, wie unsere Reise nach Polen (die Heimat meiner Mutter) dieses Jahr wird.
Liebe Grüße in den südlichen Westerwald von Andrea
Liebe Andrea,
ja, so ist das mit der Heimat. Das erleichtert mich auch ein wenig, dass Du ähnliche Gefühle in der alten Heimat Deines Vaters hattest … ich fand es auch ein wenig unheimlich, so ein Gefühl zu haben. Ich bin gespannt, was Du in Polen erleben wirst.
Viele Grüße
Martina